Penicillin steht als Synonym für den Beginn des modernen Antibiotika-Zeitalters. Die zu den β-Lactam-Antibiotika zählenden Wirkstoffe wurden aus Schimmelpilzen wie Penicillium notatum und Penicillium chrysogenum gewonnen und später biosynthetisch sowie teilsynthetisch weiterentwickelt. Ihre bahnbrechende Wirkung gegen bakterielle Infektionen veränderte die Medizin grundlegend.
Ursprung und Entdeckung des Penicillins
Schon im 19. Jahrhundert wurden die antibakteriellen Effekte von Schimmelpilzen beschrieben, u. a. durch Theodor Billroth und Joseph Lister. Die wissenschaftliche Wiederentdeckung erfolgte jedoch erst 1928 durch Alexander Fleming, als er bemerkte, dass ein Schimmelpilz das Wachstum von Staphylokokken hemmte. Er isolierte den Wirkstoff und nannte ihn Penicillin. Erst zehn Jahre später wurde das therapeutische Potenzial durch Ernst Boris Chain, Howard Florey und Norman Heatley erkannt und weiterentwickelt. Ab 1942 kam es erstmals bei verwundeten Soldaten im Zweiten Weltkrieg therapeutisch zum Einsatz.
Chemische Struktur und Biosynthese

Die Penicilline basieren chemisch auf der sogenannten 6-Aminopenicillansäure, die das zentrale Grundgerüst dieser Wirkstoffgruppe darstellt. Diese besteht aus einem bicyclischen Dipeptid, das sich aus den Aminosäuren L-Cystein und L-Valin zusammensetzt. Charakteristisch für die Struktur ist der β-Lactam-Ring, der für die antibiotische Wirkung entscheidend ist. Die variable Seitenkette, die an das Grundgerüst gebunden ist, beeinflusst Stabilität, Wirkspektrum und pharmakologische Eigenschaften der jeweiligen Penicillinverbindung.
Die Biosynthese beginnt mit der Bildung von Isopenicillin N aus L-α-Aminoadipinsäure, L-Cystein und L-Valin. Durch den Austausch der α-Aminoadipyl-Seitenkette mit anderen organischen Säureresten, katalysiert durch eine Acyltransferase, entstehen verschiedene natürlich vorkommende Penicilline. Therapeutisch relevant ist vor allem Penicillin G (Benzylpenicillin), das durch Fermentation mit Penicillium chrysogenum unter Zusatz von Phenylessigsäure gezielt hergestellt werden kann. Weitere Produzenten sind neben Penicillium-Arten auch Schimmelpilze wie Aspergillus nidulans sowie Bakterien der Gattung Streptomyces, etwa Streptomyces clavuligerus, das Penicillin N bildet.
Name | Weitere Namen | Aktivität | –R | Summenformel | Molmasse | CAS-Nummer | PubChem |
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Penicillin F | Penicillin I, Penten(2)yl-penicillin | 1500 I.E./ml | –CH₂–CH=CH–CH₂–CH₃ | C₁₄H₂₀N₂O₄S | 312,38 g/mol | 118-53-6 | 6438232 |
Penicillin G | Penicillin II, Benzylpenicillin | 1670 I.E./ml (Natriumsalz) | –CH₂–C₆H₅ | C₁₆H₁₈N₂O₄S | 334,39 g/mol | 61-33-6 | 5904 |
Penicillin X | Penicillin III, p-Hydroxybenzylpenicillin | 850–900 I.E./ml | –CH₂–C₆H₄–OH | C₁₆H₁₈N₂O₅S | 350,39 g/mol | 525-91-7 | 120720 |
Penicillin K | Penicillin IV, Heptylpenicillin | 2200 I.E./ml | –CH₂–(CH₂)₅–CH₃ | C₁₆H₂₅N₂O₄S | 341,45 g/mol | 525-97-3 | 44123577 |
Penicillin DF | Dihydropenicillin F, Penicillin H₂F, Amylpenicillin | 1610 I.E./ml | –CH₂–(CH₂)₃–CH₃ | C₁₄H₂₂N₂O₄S | 314,40 g/mol | 4493-18-9 | 107556 |
Penicillin N | Adicillin | – | –(CH₂)₃–CH(NH₂)–COOH | C₁₄H₂₁N₃O₆S | 359,40 g/mol | – | 71724 |
Penicillin M | Isopenicillin N | – | –(CH₂)₃–CH(NH₂)–COOH | C₁₄H₂₁N₃O₆S | 359,40 g/mol | – | 440723 |
Wirkmechanismus von Penicillin
Penicilline greifen selektiv in die bakterielle Zellwandbiosynthese ein. Sie binden an das Enzym D-Alanin-Transpeptidase, das für die Quervernetzung des Peptidoglykans bei grampositiven Bakterien zuständig ist. Durch die irreversible Hemmung wird die Zellwand instabil, was bei Zellteilung zur Lyse der Bakterien führt. Diese Wirkung betrifft nur sich vermehrende Bakterien und erklärt die selektive Toxizität gegenüber pathogenen Mikroorganismen.
Arten und therapeutischer Einsatz
Natürlich vorkommende Vertreter wie Penicillin G oder F unterscheiden sich in ihrer Seitenkettenstruktur, Wirksamkeit und Stabilität. Teilsynthetische Varianten, etwa das oral einnehmbare Penicillin V, wurden zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit entwickelt. Weitere Modifikationen führten zu säurestabilen, penicillinasestabilen und breit wirksamen β-Lactam-Antibiotika. Letztere, etwa Amoxicillin oder Piperacillin, sind auch gegen bestimmte gramnegative Erreger wirksam, da sie deren Zellhüllen besser durchdringen können.
Resistenzen und ihre Entwicklung
Die Entstehung resistenter Bakterienstämme gilt als klassisches Beispiel darwinscher Selektion. Mutationen oder der Erwerb von Resistenzgenen ermöglichen es Bakterien, den Angriff des β-Lactam-Rings zu überleben. Besonders gefürchtet ist die Methicillinresistenz bei Staphylococcus aureus. Resistenzen können sich zudem über Artgrenzen hinweg durch horizontalen Gentransfer ausbreiten. Dennoch gibt es Ausnahmen: Der Syphilis-Erreger Treponema pallidum zeigt bis heute keine klinisch relevante Resistenz gegenüber Penicillin G.
Nebenwirkungen und Verträglichkeit
Diese Wirkstoffgruppe zählt zu den gut verträglichen Antibiotika, kann jedoch wie alle Medikamente Nebenwirkungen hervorrufen. Zu den häufigeren Reaktionen gehören Hautausschläge in Form von Arzneimittelexanthemen sowie Durchfälle, insbesondere bei der Einnahme von Breitspektrum-Penicillinen. Diese können die natürliche Darmflora stören, wodurch sich unerwünschte Keime im Darm ausbreiten und eine antibiotikaassoziierte Diarrhoe auslösen können.
Auch allergische Reaktionen sind möglich, reichen jedoch meist von milden Hautrötungen bis hin zu Juckreiz. Eine echte Penicillinallergie ist seltener als oft angenommen. Mithilfe moderner diagnostischer Verfahren wie dem PEN-FAST-Instrument lässt sich das Risiko einer allergischen Reaktion besser einschätzen. In vielen Fällen ist eine Behandlung mit dem Wirkstoff dennoch möglich.
Sehr selten können schwerwiegendere Nebenwirkungen auftreten, darunter ein anaphylaktischer Schock oder epileptische Anfälle, insbesondere bei hohen Dosierungen oder bestehender Anfälligkeit.
Industrielle Produktion und globale Verbreitung von Penicillin
Die industrielle Herstellung von Penicillin nahm während des Zweiten Weltkriegs rasant an Fahrt auf. Ausschlaggebend war die Entwicklung des Submersverfahrens, bei dem Penicillium chrysogenum in flüssigen Nährmedien kultiviert wurde. Dieses Verfahren ermöglichte eine deutlich effizientere Produktion als die zuvor verwendete Oberflächenfermentation. In den USA wurde der Wirkstoff bereits ab 1943 in großen Mengen hergestellt, 1944 war das Land vollständig versorgt. In Europa hingegen blieb das Medikament knapp, was zu einem florierenden Schwarzmarkt führte. Diese Knappheit spiegelt sich auch in der Symbolik des Films Der dritte Mann wider.

Nach Kriegsende begann auch in Deutschland und Österreich die eigene Herstellung. In Westdeutschland entstanden erste Produktionsstätten unter Beteiligung internationaler Unternehmen, während in der DDR Betriebe wie das Arzneimittelwerk Dresden die Versorgung übernahmen. Ein wichtiger Meilenstein war die Entwicklung des säurestabilen Penicillin V im österreichischen Kundl, das oral eingenommen werden konnte. Heute zählt dieser Standort weiterhin zu den größten Penicillinproduzenten außerhalb Asiens.
Bedeutung für die moderne Medizin
Penicillin markierte einen Wendepunkt in der medizinischen Therapie bakterieller Infektionen. Es reduzierte Todesfälle nach Verletzungen, revolutionierte die Chirurgie und legte den Grundstein für die Entwicklung zahlreicher weiterer Antibiotika. Obwohl heute Resistenzen ein wachsendes Problem darstellen, bleibt der Wirkstoff ein Paradebeispiel für die Wirksamkeit natürlicher Substanzen in der Infektionsmedizin. Seine Entdeckung gehört zu den bedeutendsten Fortschritten in der Medizingeschichte.
Der vorliegende Text stellt eine vollständig überarbeitete und neu strukturierte Fassung des Wikipedia-Artikels „Penicilline“ dar. Er unterliegt der Lizenz CC BY-SA 3.0 und enthält keine inhaltlichen Ergänzungen über die Originalquelle hinaus. Stand: 24.03.2025