
Wasserstoffbrückenbindung bezeichnet eine vergleichsweise starke intermolekulare Kraft, die entsteht, wenn ein kovalent gebundenes Wasserstoffatom eines Moleküls von einem freien Elektronenpaar eines anderen, stärker elektronegativen Atoms angezogen wird. Diese Bindung spielt eine zentrale Rolle für zahlreiche physikalische Eigenschaften von Substanzen und prägt ebenso Struktur und Funktion großer Biomoleküle.
Entdeckung und historische Einordnung
Bereits 1919 beschrieb Maurice L. Huggins zur Erklärung der auffällig hohen Dielektrizitätskonstante des Wassers eine solche Wechselwirkung. Ein Jahr später erklärten Wendell M. Latimer und Worth H. Rodebush, wie diese Bindungen in wässriger Lösung wirken. Seither hat sich der Begriff Wasserstoffbrücke als fester Bestandteil chemischer und physikalischer Lehrbücher etabliert.
Aufbau und Entstehung von Wasserstoffbrücken
Wasserstoffbrücken entstehen zwischen zwei funktionellen Gruppen oder zwei Teilen eines größeren Moleküls, die über ein Wasserstoffatom interagieren. Entscheidend für die Bildung dieser Brücken sind zwei Rollen: der Protonendonator und der Protonenakzeptor. Der Donator ist ein elektronegatives Atom wie Sauerstoff, Fluor oder Stickstoff, welches das Wasserstoffatom über eine kovalente Bindung stark an sich zieht. Der Protonenakzeptor ist ein weiteres Atom, das ein oder mehrere freie Elektronenpaare besitzt und damit eine schwächere Bindung zum Wasserstoffatom eingehen kann.
Die Verbindung zwischen Wasserstoffatom und Protonenakzeptor wird meist schwächer dargestellt als eine reguläre chemische Bindung und symbolisch durch eine gepunktete Linie (···) gezeigt. Der resultierende Bindungswinkel nähert sich oft einem linearen Verlauf (etwa 180°), wodurch sich eine effektive und gerichtete Wechselwirkung ergibt. Aufgrund der Differenz in der Elektronegativität bilden sich am Wasserstoffatom positive Teilladungen (δ+) und an Donator- sowie Akzeptoratomen negative Teilladungen (δ−). Dies führt zu einer elektrostatischen Anziehung, die zusätzlich auch einen gewissen Anteil kovalenter Bindungscharakteristik besitzt.
Diese Wasserstoffbrücken können sowohl zwischen Molekülen als auch innerhalb eines einzigen großen Moleküls auftreten, wobei intramolekulare Wasserstoffbrücken oft räumliche Strukturen formen, die Moleküle stabilisieren.
Klassifizierung nach Bindungsstärke
George A. Jeffrey führte eine Einteilung basierend auf der Bindungsenergie ein: Sehr starke Wasserstoffbrücken weisen Energiewerte von etwa 63 bis 167 kJ/mol auf, wie sie beispielsweise in Fluorwasserstoff vorkommen. Mittlere Bindungen liegen im Bereich von 17 bis 63 kJ/mol und finden sich typischerweise in Wasser und Kohlenhydraten. Schwache Wechselwirkungen mit weniger als 17 kJ/mol Energie, zum Beispiel C–H···O-Bindungen in Proteinen, entstehen vor allem zwischen weniger polarisierten Partnern und nähern sich durch ihre geringe Richtungsabhängigkeit den van-der-Waals-Kräften an.

Auswirkungen auf physikalische Eigenschaften
Wasserstoffbrücken beeinflussen die physikalischen Eigenschaften zahlreicher Substanzen maßgeblich. Moleküle mit Wasserstoffbrücken zeigen oft höhere Schmelz- und Siedepunkte als vergleichbare Substanzen ohne solche Brücken. Typische Beispiele hierfür sind Wasser, Alkohole oder auch Zucker. Außerdem verbessern sie die Löslichkeit von Gasen wie Ammoniak oder kleiner Alkohole in Wasser.
Bedeutung in biologischen Systemen
Sekundär- und Quartärstrukturen von Proteinen
Innerhalb von Polypeptidketten stabilisieren Wasserstoffbrücken die α-Helix und das β-Faltblatt. Darüber hinaus tragen sie zur Ausbildung und Erhaltung der räumlichen Gesamtstruktur von Proteinen bei.
Nukleinsäuren und Basenpaarung
In der DNA-Doppelhelix verbinden sich die Basenpaare Guanin und Cytosin über drei, Adenin und Thymin über zwei Wasserstoffbrücken, wodurch die beiden Stränge zusammengehalten und doch trennbar bleiben. Auch in RNA-Strukturen sorgen sie für spezifische Faltungen und Wechselwirkungen.
Ligand-Protein-Interaktionen
Die Affinität vieler Arzneistoffe zu ihren Zielmolekülen hängt wesentlich von der Ausbildung passender Wasserstoffbrücken ab.
Besonderheiten von Wasser
Wasser zeigt aufgrund der ausgeprägten Wasserstoffbrückenbindung spezielle Eigenschaften. Dazu gehören die flüssige Phase bei Normalbedingungen, die relativ hohe Siede- und Schmelztemperatur sowie die ungewöhnliche Dichteanomalie. Wasserstoffbrücken bilden in Wasser komplexe Netzwerke mit Bindungslängen von etwa 0,18 nm. Die Struktur ist weitgehend tetraedrisch angeordnet, wobei lineare und leicht nichtlineare Bindungen vorkommen. Beim Übergang in den gasförmigen Zustand müssen diese Bindungen getrennt werden, was den vergleichsweise hohen Energieaufwand beim Verdampfen erklärt.
Intramolekulare Wasserstoffbrücken
Innerhalb eines Moleküls können Wasserstoffbrücken entstehen, wenn sowohl Donator als auch Akzeptor vorhanden sind. Ein Beispiel hierfür ist Ricinolsäure, deren Siedepunkt aufgrund einer intramolekularen Wasserstoffbrücke niedriger ist als erwartet. Durch diese intramolekulare Wechselwirkung entsteht eine ringähnliche Struktur, die intermolekulare Brücken reduziert und somit physikalische Eigenschaften wie Schmelz- und Siedepunkt signifikant beeinflusst.

Der vorliegende Text stellt eine vollständig überarbeitete und neu strukturierte Fassung des Wikipedia-Artikels „Wasserstoffbrückenbindungen“ dar. Er unterliegt der Lizenz CC BY-SA 3.0 und enthält keine inhaltlichen Ergänzungen über die Originalquelle hinaus. Stand: 29.07.2025