Mit dem 1. Transformationsforum am 15. Mai hat die Plattform Industrie 4.0 ein innovatives Veranstaltungsformat gestartet, das den Wandel der Industrie nicht nur als technische Aufgabe begreift, sondern als ganzheitlichen Prozess. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Menschzentrierung – diese drei Dimensionen bilden das Fundament der sogenannten „Triple Transformation“, ergänzt um die Frage nach der künftigen Wettbewerbsfähigkeit.

In Wien diskutierten Expert:innen aus Forschung, Wirtschaft und Beratung darüber, wie Unternehmen angesichts multipler Herausforderungen zukunftsfähig und resilient bleiben können. Im Zentrum stand dabei der Anspruch, Wandel als gemeinsame Gestaltungsaufgabe zu verstehen – durch neue Formen der Zusammenarbeit, ein geschärftes Führungsverständnis und lernende Organisationen.
Vier Perspektiven auf eine industrielle Zukunft
Das Forum bot differenzierte Einblicke in aktuelle Transformationsprozesse – und zeigte, wie unterschiedlich der Weg zu einer zukunftsgerichteten Industrie aussehen kann.
Prof. Sebastian Schlund (Fraunhofer Austria, TU Wien) legte in seinem Impulsvortrag dar, dass die Digitalisierung, ökologische Verantwortung und eine stärkere Ausrichtung auf den Menschen nicht unabhängig voneinander gedacht werden dürfen. Vielmehr beeinflussen sich diese Felder wechselseitig – mit der Gefahr, sich gegenseitig zu blockieren. Schlund warnte eindringlich vor dem sogenannten „Gleichzeitigkeitsdilemma“: Wenn etwa energieintensive Rechenzentren die Nachhaltigkeitsziele konterkarieren, brauche es klare Prioritäten und abgestimmte Strategien.
Mit Blick auf die politische Verantwortung betonte er: „Eine starke Industrie ist Voraussetzung für die Umsetzung ökologischer und gesellschaftlicher Ziele – nicht deren Gegenspieler.“ Schlund plädierte dafür, Transformation als Chance zur aktiven Gestaltung neuer Beschäftigungsfelder zu sehen – etwa in der Kreislaufwirtschaft – und unterstrich: „Es geht nicht um die Abschaffung von Jobs, sondern um die Veränderung von Tätigkeiten – und um die Fähigkeit, diesen Wandel aktiv und menschzentriert zu gestalten.“
Transformation beginnt mit dem Warum
Auch Peter Obermair (formways GmbH) und Stefan Novoszel (Tietoevry) machten in ihrem Vortrag deutlich, dass Transformation weniger an der Technik als an kulturellen Missverständnissen scheitert. Anhand konkreter Fallbeispiele zeigten sie, dass Digitalisierung oft als reines IT-Projekt behandelt werde – ohne die notwendige Veränderung in Führung, Kommunikation und Unternehmenskultur mitzudenken.
Obermair und Novoszel unterstrichen, dass die Einführung agiler Methoden nicht funktionieren kann, wenn Hierarchien und gewohnte Steuerungslogiken unangetastet bleiben. Ihre Kernbotschaft lautete: „Das ‚Warum‘ muss klar sein, die Planung realistisch, Kommunikation dauerhaft und der kulturelle Wandel gezielt begleitet werden.“ Transformation, so der Tenor, ist kein Toolset – sondern ein sozialer Prozess.
Wertebasiert und kollektiv: der Weg von Welser Profile
Wie ein solcher Prozess konkret aussehen kann, zeigte Thomas Welser, Geschäftsführer des Familienunternehmens Welser Profile. Seit 2018 durchläuft das Unternehmen einen tiefgreifenden Wandel – nicht aus Not, sondern aus strategischer Überzeugung. Im Zentrum steht dabei eine neue Haltung, getragen von einer klaren Vision und der aktiven Einbindung der Belegschaft.
Welser beschrieb die Entstehung eines wertebasierten Transformationsprogramms namens „1plus“ und betonte die zentrale Rolle der Mitarbeiter:innen. „Die Transformation wurde als kollektiver Lernprozess gestaltet – getragen von einer breiten Beteiligung unserer Mitarbeiter:innen,“ so Welser. Über 650 Personen arbeiteten an einer „Sieben-Generationen-Landkarte“, um gemeinsam die Geschichte und Zukunft des Unternehmens zu reflektieren. Das eigens entwickelte „Welser Operating System“ soll künftig Verantwortung, Autonomie und Lernfähigkeit stärken.
Plattform Industrie 4.0 schafft Raum für Austausch
Das Transformationsforum ist Teil des EU-Interreg-Projekts „Twin City Future Innovation Manufacturing Hub“ – einer grenzüberschreitenden Initiative zwischen Österreich und der Slowakei. Ziel ist es, Unternehmen in ihrer Entwicklung zu unterstützen, Erfahrungen zu bündeln und neue Lösungen im Dialog zu erarbeiten.
Roland Sommer, Geschäftsführer der Plattform Industrie 4.0, betonte zum Abschluss: „Transformation ist weit mehr als ein technologisches Thema. Sie erfordert klare Visionen, kulturellen Wandel und Zusammenarbeit über Sektorengrenzen hinweg.“ Mit dem neuen Format will die Plattform nicht nur Denkanstöße liefern, sondern konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen – gemeinsam mit jenen, die den Wandel täglich gestalten.
Die nächste Ausgabe des Forums ist für Herbst 2025 geplant.