Ein internationales Forscherteam der Uni Bayreuth, unter der Beteiligung von DESY-Wissenschaftern hat den höchsten statischen Druck erzeugt, der jemals in einem Labor erreicht werden konnte. Der neue Rekorddruck liegt 130 GPa höher als der vorige Weltrekord, der ebenfalls von Mitgliedern dieses Teams aufgestellt worden war.
Mit einer speziellen Diamantstempelzelle untersuchten die Forscher das Verhalten des Metalls Osmium bei Drücken von bis zu 770 GPa – das entspricht dem 7,7-millionenfachen Druck der Atmosphäre und mehr als dem doppelten Druck im Erdkern. Überraschenderweise ändert Osmium im Gegensatz zu anderen Materialien seine Kristallstruktur nicht einmal unter solchen Rekorddrücken, allerdings zwingt der Hochdruck die inneren Elektronen zur Wechselwirkung, wie die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature“ berichten.
Dieses grundlegende Ergebnis hat große Bedeutung für das Verständnis der Physik und Chemie in extrem komprimierter Materie, für das Design von Materialien für Extrembedingungen sowie für mathematische Modelle des Inneren von großen Planeten und Sternen.
Metallisches Osmium (Os) ist eines der ungewöhnlichsten chemischen Elemente: Es besitzt bei Normaldruck die höchste Dichte aller Elemente sowie eine der höchsten Bindungsenergien, einen der höchsten Schmelzpunkte und eine sehr geringe Kompressibilität – es lässt sich fast ebenso wenig zusammenpressen wie Diamant. Wegen seiner außergewöhnlichen Härte kommt es unter anderem in Legierungen als elektrischer Kontakt, für stark beanspruchte Maschinenteile sowie als Schreibspitze in hochwertigen Füllfederhaltern zum Einsatz.
„Hochdruck verändert normalerweise die Eigenschaften vieler Stoffe radikal: Metalle wie Natrium werden zu transparenten Isolatoren, Gase wie Sauerstoff werden dagegen fest und elektrisch leitend, manche sogar zu Supraleitern“, erläutert Prof. Natalia Dubrovinskaia von der Universität Bayreuth, gemeinsam mit Prof. Leonid Dubrovinsky Hauptautorin der Studie. „Wie bei jedem anderen Material unter sehr hohem Druck sollte sich auch bei Osmium die Kristallstruktur ändern.“
Um dies zu untersuchen, nutzten die Wissenschaftler ein Spezialgerät für ultrahohe statische Drücke, das von den beiden Teamleitern Dubrovinsky und Dubrovinskaia in Bayreuth entwickelt worden ist. Das Spezialgerät, eine zweistufige Diamantstempelzelle, besitzt winzige Stempel aus nanokristallinem Diamant, die nur 10 bis 20 µm Durchmesser haben. Die vielen Korngrenzen der Nanokristalle machen diese Mikro-Stempel härter als Diamanten-Einkristalle: So können sie mit bis zu 770 GPa fast dem doppelten Druck standhalten.
Um die Eigenschaften von Osmium unter diesen Extrembedingungen zu untersuchen, nutzten die Forscher hochbrillante Röntgenstrahlung von DESYs Forschungslichtquelle PETRA III sowie die Europäische Synchrotronstrahlungsquelle ESRF in Frankreich und die Advanced Photon Source (APS) in den USA. Die Versuche zeigen, dass Osmium eine unerreichte strukturelle Stabilität besitzt und seine Kristallstruktur sogar unter dem Extremdruck von 770 GPa aufrechterhält.
Einheitszelle Osmium schrumpft – enthüllt Gitterparameter
Während die sogenannte Einheitszelle des Osmium-Kristalls mit steigendem Druck kontinuierlich schrumpft, enthüllten Detailuntersuchungen kleine Anomalien der Gitterparameter, die diese Einheitszelle definieren. In der Regel sind Änderungen von Materialeigenschaften unter Druck auf eine neue Konfiguration der äußeren (Valenz-)Elektronen zurückzuführen. Der Grund für die beobachtete Strukturanomalie bei Osmium unter Hochdruck ist jedoch eine Wechselwirkung der inneren Elektronen, wie es auch aktuelle theoretische Berechnungen nahelegen.
„Unsere Arbeit zeigt, dass ultrahoher statischer Druck die inneren Elektronen zu einem Wechselspiel zwingen kann“, erläutert Dubrovinsky. „Die Möglichkeit, die inneren Elektronen selbst in solch inkompressiblen Metallen wie Osmium in Experimenten mit statischem Hochdruck zu beeinflussen, bietet spannende Perspektiven für die Suche nach neuen Zuständen der Materie.“
Die Experimente eröffnen die Möglichkeit, Materie unter den Extrembedingungen zu untersuchen, wie sie im Kern großer Planeten herrschen. „In den vergangenen 20 Jahren haben Astronomen mehr als tausend Planeten bei anderen Sternen gefunden, fast alle davon sind größer als unsere Erde”, sagt Ko-Autor Dr. Hanns-Peter Liermann, bei DESY für die Messstation P02 an PETRA III verantwortlich, wo ein Teil der Experimente stattgefunden hat. „Mit der neuentwickelten, zweistufigen Diamantstempelzelle und dem scharf fokussierten, extrem hellen Röntgenlicht von PETRA III – oder in Zukunft mit dem Europäischen Röntgenlaser European XFEL, der gerade in Hamburg gebaut wird – können wir eine Vielzahl möglicher Kompositionen von Gesteinsplaneten unter den höchsten Extrembedingungen untersuchen und viel über die Zusammensetzung und Entwicklung solcher Planeten lernen.“
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