Dr. Christoph Merschjann und Prof. Dr. Stefan Lochbrunner haben gemeinsam mit ihrem Team erstmals einen genauen Blick in die Prozesse lichtinduzierter Ladungstrennungen in Verbindung mit polymeren Kohlenstoffnitriden geworfen. Die kristalline Struktur dieser organischen Verbindungen, die als gelbes Pulver aus Unmengen Nanokristallen synthetisiert werden ähnelt der von graphit: Die Kohlenstoffnitrid-Gruppen sind nur in der Ebene chemisch verbunden, während zwischen den Ebenen nur schwache „Van der Waals“ Kräfte für den Zusammenhalt sorgen.
Dass Licht in dieser Materialklasse ein Elektron-Loch-Paar erzeugen kann, war bereits bekannt. So gab es schon zahlreiche Versuche, polymere Kohlenstoffnitride als preiswerte Photokatalysatoren für die solare Wasserspaltung einzusetzen, allerdings ist die Effizienz bislang vergleichsweise gering.
„Das interessanteste Ergebnis ist, dass Ladungen dabei praktisch nur entlang einer Dimension transportiert werden, und zwar senkrecht zu den graphitähnlichen Schichten“, erklärt Merschjann. Dabei erzeugt Licht ein Elektron-Loch-Paar, das sich anschließend in entgegengesetzte Richtungen auseinanderbewegt. Mit Hilfe von Femtosekundenspektroskopie sowie weiteren spektroskopischen zeitaufgelösten Methoden konnten sie erstmals quantitativ Beweglichkeit und Lebensdauern der Ladungsträger bestimmen. Dabei zeigte sich, dass die Beweglichkeit ähnliche Werte wie in konventionellen organischen Halbleitermaterialien erreicht. Darüber hinaus bleiben die Ladungsträger lange erhalten, bevor sie wieder „rekombinieren“.
Polymere Kohlenstoffnitride sind nicht nur ungiftig und kostengünstig, sondern auch extrem belastbar, da sie chemisch sehr stabil sind und Temperaturen bis circa 500 °C standhalten. Bauelemente aus solchen Verbindungen könnten also in Umgebungen eingesetzt werden, die für die heutige organische Elektronik nicht geeignet sind. Besonders interessant findet Merschjann jedoch die Perspektive, diese Verbindungen geordnet z.B. auf Graphen aufwachsen zu lassen. Denn Graphen besitzt eine extrem hohe Leitfähigkeit in der Ebene, während die Kohlenstoffnitride im Wesentlichen nur senkrecht dazu leitfähig sind. „Die Kohlenstoffnitride müssen den Vergleich mit konventionellen organischen Halbleitermaterialien nicht scheuen – im Gegenteil: mit ihrer Eigenschaft als quasi-eindimensionale Halbleiter könnten sich ganz neuartige voll-organische optoelektronische Bauelemente realisieren lassen“, hofft Merschjann, der sich im aktuellen DFG-geförderten Forschungsprojekt an der FU Berlin mit dem direkten Nachweis der Ladungsträger beschäftigt.
Die Kooperation des Helmholtz-Zentrum Berlin, der Universität Rostock, sowie der Freien Universität Berlin und anderer Partner wurde durch das BMBF-Cluster-Projekt „Light2Hydrogen“ initiiert.
[alert-warning]Publikation
Christoph Merschjann, Stefanie Tschierlei, Tobias Tyborski, Kamalakannan Kailasam, Steven Orthmann, Dirk Hollmann, Thomas Schedel-Niedrig, Arne Thomas, Stefan Lochbrunner.
Complementing Graphenes: 1D Interplanar Charge Transport in Polymeric Graphitic Carbon Nitrides.
Advanced Materials.
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Helmholtz-Zentrum
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