Wir hatten im Rahmen der Jahrespressekonferenz von Boehringer Ingelheim Gelegenheit mit Dr. Andreas Barner zu sprechen, der im Juli 2016 nach langjähriger Tätigkeit in der Unternehmensleitung seine Position als Vorstandsvorsitzender abgeben wird. Das RCV in Wien ist für Boehringer Ingelheim eine wichtige Forschungsstätte. Allein in den letzten Jahren wurden zwei neue Medikamente aus der Wiener Forschung zur Behandlung von Lungenkrebs weltweit zugelassen. Weitere Krebswirkstoffe befinden sich in der klinischen Entwicklung. Mit jährlichen Forschungsaufwendungen von 200 Millionen Euro zählt Boehringer Ingelheim zu den forschungsintensivsten Unternehmen in Österreich. Im Herbst 2015 wurde ein neues Forschungsgebäude für Immunonkologie am Standort in Wien-Meidling eröffnet. Voraussichtlich noch 2016 kann das neue Gebäude für das Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) im Vienna Biocenter im 3. Wiener Gemeindebezirk bezogen werden. Boehringer Ingelheim hat rund 50 Millionen Euro in dieses Projekt investiert. Insgesamt ist die mit einer halben Milliarde Euro geplante Erweiterung des Standortes Wien die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte.
Herr Professor, wie stark ist Ihre Bindung zu Wien?
Stark. Familiär auf der einen Seite, aber auch vom Geschäft her auf der anderen. Ich bin ja im Grunde mit Wien ganz eng deswegen verwoben, da wir dort eine Forschung haben – meine Hauptverantwortung in der Unternehmensleitung war Forschung und Entwicklung.
Wir haben die onkologische Forschung in Wien und wir haben ein Grundlagenforschungsinstitut in Wien, das IMP, das ja, wie viele sagen die Basis war für das Vienna BioCenter. Daher habe ich einen sehr starken Bezug zu Wien. Und dann haben wir natürlich in Wien eine wichtige Stelle für die Geschäftssteuerung: das österreichische Geschäft, das osteuropäische Geschäft, die Schweiz oder auch Israel werden von Wien aus gesteuert.
Nun wurde ja durch die größte Einzelinvestition in Boehringer Ingelheims Unternehmensgeschichte die Wichtigkeit des Standort Wiens unterstrichen. Abseits davon, wird sich der Geschäftetausch mit Sanofi, mit beispielsweise neuem zusätzlichen Fokus auf Tiergesundheit auch dort widerspiegeln?

Das ist leider zu früh zu sagen, da wir im Augenblick erst dabei sind, die Verträge zu schmieden – danach müssen wir in der nächsten Phase verstehen: wo sind welche Menschen, wo welche Teile in der Organisation angesiedelt und wohin geht der Weg. Das wird man erst sehen.
Wien ist klar für uns ein wichtiger Standort und wird ein wichtiger Standort für die Steuerung des Humanpharma-Geschäfts bleiben. Ich bin sicher, dass die Steuerung für Tiergesundheit, die wir jetzt schon dort haben auch weiterhin am Standort bleiben wird, aber für Auswirkungen durch Sanofi bzw. Merial wäre eine Aussage zu früh.
Wien ist auch sehr stark mit Biopharmazie verbunden…
In Wien machen wir sehr erfolgreich Biopharmazie – hier ist zu beachten, dass wir da durch ganz schwierige Zeiten gegangen sind. Zeiten, in denen es nicht so erfolgreich gelaufen ist und wir jetzt doch sehr zufrieden sagen können, dass sowohl die mikrobielle Produktion als auch der neue Aufbau der zellbasierten Produktion mehr als zufriedenstellend verläuft und das ist für uns eine schöne Sache. Also Wien ist ein richtig gutes Werkzeug.
Wie hoch ist der Anteil des aus Wien gesteuerten Geschäfts am Gesamtumsatz von Boehringer Ingelheim?
Das RCV macht – exklusive der Erlöse aus der biopharmazeutischen Produktion – mit 760 Mio. ungefähr 5 % des Gesamtumsatzes aus.
Sie sind ja seit Herbst 2015 Vorsitzender des Universitäts-Rats der Universität Freiburg…
Ich bin ja auch im wissenschaftlichen Beirat der Universität Wien.
… bedeutet das für Sie einen Schritt näher an eine akademische Tätigkeit, jetzt da Sie mit Juli aus der Unternehmensleitung ausscheiden?
Nun, ich werde die Aufgabe des Vorsitzenden an Herrn von Baumbach weitergeben und werde einzelne Themen, wie zum Beispiel Universitätsrat in Freiburg weiter mit viel Freude und Interesse verfolgen. Vor allem freue ich mich aber, dass meine Freiheitsgrade größer werden, um Dinge zu tun, die man bei einer Aufgabe wie meiner eben zurückstellen muss. Zum Beispiel könnte man häufiger nach Wien reisen.
Wenn Sie beispielsweise von der Universität in Wien zu einer Vortragstätigkeit gerufen würden?
Wenn ich nach Wien gerufen werde, komme ich doch immer, das ist doch klar.