Beim Thema Biomasse-Verwertung sind Österreich und die TU Wien seit vielen Jahren im vorderen internationalen Spitzenfeld. Die weltweit erste Wirbelschicht-Dampfvergasungs-Großanlage, basierend auf TU-Know-How, wurde 2001 in Güssing eröffnet und stieß auf weltweite, positive Resonanz. Weitere Anlagen in Oberwart und Villach, als auch international in Deutschland (Senden) und Schweden (Göteborg) folgten. Gerade bei der Göteborger Anlage ist bemerkenswert, dass sie zur Erzeugung von synthetischem Erdgas verwendet wird – österreichische Technologie bildet somit die Basis für eine ganzheitliche, klimafreundliche Energieversorgung für Haushalte, Industrie und dem Nahverkehr in Göteborg. Die TU Wien hat nun nach zweijähriger Vorbereitungsarbeit eine neue, weiter verbesserte und innovative Wirbelschicht-Versuchsanlage in Betrieb genommen.

„Die entscheidende Idee bei der Zweibett-Wirbelschicht-Vergasung ist, dass wir den Prozess in zwei verschiedene Kammern aufteilen“, erklärt Johannes Schmid vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien. In der einen Kammer wird der Brennstoff bei hohen Temperaturen in ein wertvolles Produktgas umgewandelt. In dieser Kammer befindet sich keine Luft, sondern Wasserdampf, daher verbrennt das Gas nicht. Feste Rest-Bestandteile des Brennstoffes gelangen sodann in die zweite Kammer, wo Luftsauerstoff zugeführt wird und die Verbrennung stattfindet. Diese Verbrennung liefert die nötige Hochtemperaturwärme für die erste Kammer. Übertragen wird die Wärme mit Hilfe von heißem Sand, der zwischen den Kammern zirkuliert.
Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Verbrennungsofen hat man bei diesem Verfahren zwei getrennte Gasströme: Einen Abgasstrom aus der Verbrennungskammer und einen Produktgasstrom aus der Vergasungskammer, der dann weiter genutzt werden kann.
Biomasse als Produktlieferant
Beim Verbrennen von Biomasse, Müll oder Industrie-Reststoffen kann man zwar die gespeicherte Energie nutzen, nicht aber die Moleküle, aus denen das Material zusammengesetzt ist. Das ist schade, denn eigentlich lassen sich zum Beispiel aus biogenen Reststoffen wertvolle Produkte gewinnen, etwa Wasserstoff, Methan, Hythan, oder sogar Methanol und Diesel. An der TU Wien forscht man seit über zwanzig Jahren an einem Verfahrenskonzept, das beides gleichzeitig kann – Wärmeenergie bereitstellen und einen chemischen Energieträger erzeugen. Das sogenannte Produktgas dient dabei als Grundlage für unterschiedliche Synthesen. Nun gelang der nächste technologischen Schritt nach vorne: Umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse aus Forschungsarbeiten der letzten Jahre gingen in das Design der innovativen Anlage ein.

„Durch eine neuartige Reaktorkonstruktion kommt der Brennstoff und dessen Produktgas viel intensiver in Kontakt mit dem wirbelnden heißen Sand, daher funktioniert die Vergasung nun auch mit schwierigen, alternativen Brennstoffen besser“, erklärt Johannes Schmid. Mit der 7 m hohen Versuchsanlage, die über zwei Stockwerke auf jeweils 35 m2 aufgebaut wurde, sind zudem aussagekräftige wissenschaftliche Ergebnisse erzielbar. Damit können Großanlagenprojekte in der Konzeptphase und im Basic Engineering unterstützt werden.
Bisher wird in großen Biomassevergasungsanlagen hauptsächlich hochqualitatives, homogenes Holzhackgut verwertet. Die neue Anlage kommt auch mit schwierigeren Reststoffen zurecht. Vor allem kostengünstige, minderwertige Brennstoffe liegen im Fokus des Interesses: „Abfälle aus der Papier- und Holzindustrie kommen in Frage. Wir werden aber auch Abfallfraktionen oder andere biogene Reststoffe wie Zuckerrohr- und Olivenbagasse testen. Auch Biomasse-Kohle Mischungen oder sogar Klärschlamm können auf diese Weise verwertet werden.“, sagt Johannes Schmid.
Neue Versuche an der TU Wien
Die neuartige Versuchsanlage hat nun insgesamt schon 7 Versuchsreihen hinter sich gebracht – erste Messergebnisse sind bereits intern validiert und ausgewertet. „Wir werden nun viele weitere Versuchsreihen mit ganz unterschiedlichen Brennstoffen durchführen“, sagt Johannes Schmid, „aber schon jetzt sehen wir, dass die neue Anlage herausragende wissenschaftliche Erkenntnisse generieren wird.“
Das Team um Professor Hermann Hofbauer hat in den letzten Jahren mehrere Patente angemeldet und sieht großes Potenzial in diesem neuen Wirbelschicht-Vergasungskonzept. Der Trend in der Energieversorgung geht von großen zentralen Kraftwerksanlagen zu kleineren, lokalen Lösungen. „Interessant könnten solche Anlagen besonders für große Unternehmen sein, in denen viel verwertbare Reststoffe anfallen. Die Nutzung von am jeweiligen Standort anfallenden Reststoffen kann fossile CO2-Emissionen reduzieren und den Anteil erneuerbarer Energie für den betreffenden Industriestandort erhöhen. Wir sind überzeugt davon, dass unsere Technologie eine Schlüsseltechnologie darstellen kann, die das Potential mitbringt einen wesentlichen Beitrag zu einer sauberen, nachhaltigen und klimafreundlichen Energieversorgung zu leisten“, meint Stefan Müller. Die Anlage der TU Wien soll jedenfalls dazu beitragen, die weltweit führende Rolle Österreichs im Bereich der Biomasseverwertung weiter auszubauen.