Im Jahr 2020 hat der Spezialglaskonzern SCHOTT das Ziel verkündet, in seiner eigenen Produktion bis 2030 klimaneutral werden zu wollen. Jetzt hat das Unternehmen ein erstes Zwischenfazit gezogen. Trotz Corona-Pandemie und aktuell großer Herausforderungen für die Weltwirtschaft hat der Technologiekonzern wichtige Etappenziele auf dem Weg Richtung Klimaneutralität erreicht.
Neben der Umstellung auf 100 Prozent Grünstrom und der damit verbundenen Senkung der CO2-Emissionen um 60 Prozent wurden wichtige Entwicklungsprojekte für klimafreundlichere Schmelztechnologien initiiert. Basis für den anspruchsvollen und komplexen Technologiewandel ist eine globale Roadmap des Konzerns.
Die Spezialglasindustrie benötigt viel Energie
Zur Herstellung von CERAN® Kochfeldern, Glasrohr für pharmazeutische Verpackungen, oder Displayschutzgläsern für Smartphones werden bei SCHOTT zum Schmelzen der Glasrohstoffe Temperaturen von bis zu 1.700 Grad Celsius benötigt. Bisher wurden die Schmelzwannen vor allem mit dem fossilen Energieträger Erdgas betrieben. Sie verbrauchen bei SCHOTT den größten Anteil an Energie – und sind damit hauptverantwortlich für klimaschädliche CO2-Emissionen.
„Weltweit sind wir von einer Vielzahl wirtschaftlicher Unsicherheiten umgeben. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass wir bei unseren Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel nachlassen. Denn dieser ist eine der wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart“, sagte Dr. Jens Schulte, Mitglied des SCHOTT Vorstandes und verantwortlich für das Strategieprogramm „Zero Carbon“. „Unsere ersten Etappenziele sind erreicht. Wir werden in den kommenden Jahren weitere ambitionierte Zwischenziele auf dem Weg zur Klimaneutralität setzen und arbeiten intensiv daran, die CO2-Emissionen zu senken. Daran wird auch die aktuelle Gaskrise nichts ändern.“
Erfolgreicher Umstieg auf 100 Prozent Grünstrom
Beim Start des „Zero Carbon“ Programms lagen die weltweiten Emissionen von SCHOTT bei rund einer Million Tonnen CO2-Äquivalenten (CO2e). Bis 2022 konnte der Konzern seine klimaschädlichen Emissionen bereits um über 60 Prozent senken. Und dies trotz Anstieg des Energieverbrauchs durch die hohe Auslastung der vorhandenen und Inbetriebnahme neuer Produktionsanlagen. Die CO2-Reduzierung ist vor allem auf die weltweite Umstellung auf 100 Prozent Grünstrom zurückzuführen. Neben Erdgas, das überwiegend für die Wannenbefeuerung eingesetzt wird, ist Strom der mengenmäßig größte Energieträger. Für den Umstieg hat SCHOTT in einem ersten Schritt auf erneuerbare Energien durch entsprechende Herkunftsnachweise (Energy Attribute Certificates, EACs) gesetzt. Um einen starken Beitrag zur Energiewende zu leisten, wird dabei Wert auf hochwertige, unabhängig geprüfte Grünstromzertifikate gelegt.
Seit 2022 setzt das Unternehmen zudem auf Power Purchase Agreements (PPAs), die einen noch konkreteren Beitrag zur Energiewende leisten. PPAs sind direkte Stromabnahmeverträge mit Betreibern von Erneuerbare-Energien-Anlagen, wie zum Beispiel Windparks. SCHOTT hat für 2023 bisher drei solcher langfristigen Verträge mit renommierten Anbietern in Deutschland abgeschlossen. Weitere sollen in den nächsten Jahren folgen. Der Konzern wird damit 17 Prozent seines Stromverbrauchs in Deutschland für das Jahr 2023 abdecken.
Der Technologiewandel ist die größte Herausforderung
Die Umstellung auf Grünstrom markiert die erste Etappe eines ambitionierten Innovations- und Transformationsmarathons. Das wichtigste und gleichzeitig schwierigste Ziel auf dem Weg zu einer klimaneutralen Produktion ist der Technologiewandel, denn langfristig will SCHOTT soweit wie möglich auf die Nutzung fossiler Energieträger wie Gas verzichten. Die vollständige Umstellung wird jedoch faktisch länger dauern, über das avisierte Jahr 2030 hinaus. Denn die Entwicklung der neuen Technologien erfordert bahnbrechende Prozessinnovationen in der Glasproduktion. Der Transformationsprozess ist eine langfristige Aufgabe mit hohem Entwicklungs- und Kostenaufwand. Daneben müssen grüne Energieträger in industriellem Maßstab zur Verfügung stehen, was entsprechende Infrastrukturinvestitionen bei Energieversorgern und Netzbetreibern erfordert.
Momentan investieren wir zur Erreichung unseres Klimaziels einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Dieser fließt zum Beispiel in den Einkauf von hochwertigem Grünstrom, aber auch in die Forschung, um Zukunftstechnologien für eine dekarbonisierte Produktion zu entwickeln. Für die dann folgende Umstellung der Anlagen auf neue Technologien rechnen wir mit deutlich höheren Summen.
Dr. Jens Schulte, Mitglied des Vorstandes, verantwortlich für das Strategieprogramm „Zero Carbon“
Forschungsprojekte für klimafreundlichere Glasschmelze laufen
Bei der Technologieentwicklung fokussieren sich die Experten auf die energieintensive Glasschmelze. Der Konzern setzt hier vor allem auf zwei Transformationspfade, um in Zukunft ohne Gas produzieren zu können: die Elektrifizierung der Schmelzwannen auf Basis von Grünstrom und den Einsatz von Wasserstoff.
In beiden Feldern hat SCHOTT mehrere Forschungsprojekte gestartet, die Pionierarbeit für die Glasindustrie leisten und öffentlich – vom Bund und der Europäischen Union – gefördert werden. Für den Transformationspfad Wasserstoff plant der Konzern an seinem Standort in Mainz Ende Herbst 2022 erste Produktionstests im Großmaßstab.
„Unsere Forschungen zeigen erste sehr vielversprechende Ergebnisse“, erklärte Dr. Matthias Müller, Leiter Forschung und Entwicklung bei SCHOTT. „Wir sind davon überzeugt, wichtige Impulse für die gesamte Glasindustrie setzen zu können. Daher werden wir unsere Aktivitäten weiter intensivieren.“
Technologie-Roadmaps weisen den Weg
Nach der Erforschung und Entwicklung neuer Technologien steht die nächste große Aufgabe an: Der flächendeckende Einsatz der nachhaltigen Technologien. Diesen plant SCHOTT mit Hilfe von Technologie-Roadmaps. Sie zeigen auf, wie die Forschungsergebnisse langfristig in der Produktion umgesetzt werden sollen. Die Roadmaps umfassen alle Konzernteile: von der Konzernebene über die einzelnen Business Units bis zu jedem Produktionsstandort weltweit. Die Roadmap sieht vor, dass die ersten Pilotanlagen für eine dekarbonisierte Produktion 2025 bereits starten können.
Die konzernweite Technologieumstellung nach der Pilotphase ist komplex, da sie von vielen Faktoren abhängt: Schmelzaggregate können beispielsweise nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt ausgetauscht werden; sie haben eine definierte Laufzeit und werden in Investitionszyklen geplant. Gleichzeitig hat SCHOTT bestimmte wirtschaftliche und politische Entwicklungen nicht in der eigenen Hand – dazu gehört der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur oder der Ausbau erneuerbarer Energien, damit ausreichend Grünstrom zur Verfügung steht.
„Für den Technologiewandel brauchen wir einen langen Atem. Wir arbeiten intensiv an Innovationen und investieren hohe Summen, damit unsere komplexe Produktion startklar ist, sobald die nachhaltigen Energieträger im industriellen Maßstab verfügbar sind“, erklärte Dr. Jens Schulte. „Die großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen der Energiewende werden wir nur erfolgreich lösen, wenn alle zusammenarbeiten. Unternehmen benötigen für die Mehrkosten dieser Transformation neben ihrem eigenen Beitrag dabei auch die Unterstützung der Politik.“
Hintergrund zur SCHOTT Klimastrategie: Vier Handlungsfelder für die Klimaneutralität
SCHOTT will das Ziel Klimaneutralität mit einem Aktionsplan aus vier Handlungsfeldern erreichen. Momentan steht neben dem Umstieg auf 100 Prozent Grünstrom der Technologiewandel im Fokus. Ein weiteres Handlungsfeld ist die kontinuierliche Verbesserung der Energieeffizienz. Der letzte Schritt ist die Kompensation verbleibender Emissionen.
Trotz aller Anstrengungen wird SCHOTT als produzierendes Unternehmen nicht alle Emissionen vermeiden können. Deshalb wird der Konzern auf absehbare Zeit auch klimaschädliche Emissionen durch das Engagement in Klimaschutzprojekte ausgleichen. Dabei setzt SCHOTT auf Zertifikate mit strengen internationalen Standards, wie zum Beispiel dem Verified Carbon Standard oder dem Goldstandard.
Zur Berechnung der klimarelevanten Emissionen wird der Ausstoß aller Treibhausgase konzernweit betrachtet. In die Berechnung einbezogen sind die Emissionen aus der eigenen Produktion (Scope 1 des Greenhouse Gas Protocol) und aus eingekaufter Energie (Scope 2). Von Scope 3 werden zudem die Dienstreisen und die Mobilität der Mitarbeitenden berücksichtigt. In einem nächsten Schritt sollen dann weitere Scope 3-Emissionen einbezogen werden, die unter anderem die Emissionen in der Lieferkette betrachten. Um eine Vergleichbarkeit der Klimawirksamkeit herzustellen, gibt SCHOTT seine Treibhausgasemissionen in CO2-Äquivalenten (CO2e) an.