Das Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM hat mit der hte GmbH ein modulares und flexibles Konzept einer elektrochemischen Durchflusszelle entwickelt. Diese Durchflusszellen finden Einsatz in Hochdurchsatz-Screening-Aufgaben im Bereich der Elektrokatalyse.
Angesichts des Klimawandels und der damit einhergehenden Notwendigkeit für eine Energie- und Rohstoffwende werden elektrochemische Prozesse wie die Wasserelektrolyse künftig immer mehr an Bedeutung gewinnen.
Elektrochemische Durchflusszelle als Bestandteil der Screening-Anlage
Gerade vor dem Hintergrund der Energie- und Rohstoffwende haben elektrochemische Prozesse einen Vorteil. Sie verwenden anstelle eines chemischen Reagenzes Strom. Zudem können sie flexibel auf ein schwankendes Stromangebot reagieren. Bei vorhandenem Überschussstrom werden elektrochemische Prozesse zugeschaltet, bei Strommangel abgeschaltet. Eine wichtige Anwendung: die Wasserelektrolyse. Diese erzeugt Wasserstoff, der als flexibel einsetzbarer und gut transportierbarer Energieträger eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielt.
Daher entwickelt und optimiert das Fraunhofer IMM elektrochemische Mikroreaktoren – auch Durchflusszellen genannt –, die etwa für grüne Syntheseverfahren wie die Elektrosynthese und für die Untersuchung der Wasserelektrolyse zum Einsatz kommen. Diese ermöglichen u. a. die Entwicklung und das Screening der Synthesen im Labormaßstab. Gleichzeitig erlauben sie die Überführung der Synthese in den Pilotmaßstab. Zusammen mit der Heidelberger hte GmbH hat das Fraunhofer IMM ein modulares und flexibles Konzept einer elektrochemischen Durchflusszelle entwickelt und zum Einsatz in Hochdurchsatz-Screening-Aufgaben im Bereich der Elektrokatalyse realisiert.
„Mithilfe von Mikroreaktoren lassen sich chemische Prozesse präzise kontrollieren. Dies gilt auch für unsere elektrochemischen Zellen, mit denen elektrochemische Produktionsverfahren optimiert werden können, etwa wenn es um die nachhaltige Herstellung von Chemikalien oder um die Wasserelektrolyse geht. Die Screening-Plattformen auf Basis unseres Konzepts erlauben es, in kürzester Zeit viele Katalysatoren und Prozessbedingungen zu testen. Für die Elektrokatalyse sind veränderte Screening-Plattformen erforderlich. Neben dem Elektrokatalysator sind auch Prozessbedingungen wie Druck, Temperatur, Zellspannung, Flussraten und Elektrolytzusammensetzung zu untersuchen. Hier kommen unsere Durchflussreaktoren, als Bestandteil der Screening-Anlage ins Spiel“, erläutert Dr. Patrick Löb, Leiter der Gruppe Flow Chemistry am Fraunhofer IMM in Mainz.
Reaktorkonzept basiert auf Plattenstapel
Das grundsätzliche vom Fraunhofer IMM verfolgte Reaktorkonzept für elektrochemische Anwendungen folgt einem Plattenstapeldesign. Eine einzelne elektrochemische Zelle besteht aus einem Satz Elektrodenplatten und weiteren Komponenten. Der Stapel kann eine Zelle für den Einzelbetrieb enthalten. Er kann aber auch einen Satz Zellen enthalten, die parallel, seriell oder gemischt betrieben werden.
Die parallele Betriebsweise des Plattenstapels ist dabei insbesondere für Screening-Aufgaben geeignet. So lässt sich z.B. durch den Einbau unterschiedlicher Membranen in jeder der sonst gleichen elektrochemischen Zellen des Stapels der Einfluss des Membranmaterials auf den elektrochemischen Prozess untersuchen. Auf Basis der Untersuchungsergebnisse kann somit die am besten geeignete Membran für den Prozess ausgewählt werden.
„Der Reaktor erlaubt eine Vielzahl an Zellvariationen, sodass sich beispielsweise verschiedene Membranmaterialien und Elektrokatalysatoren variieren und testen lassen“, sagt der Forscher. Die Durchflusszellen für hte zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, dass der grundsätzliche Zellaufbau – die Reaktorkonfiguration – zusätzlich variiert werden kann.
Ester Protoyp in Validierung
Ein erster Prototyp eines Screening-Moduls mit vier parallel angeordneten elektrochemischen Zellen ist ausgeliefert und befindet sich in der Validierung. Die Erweiterung auf 16 parallel schaltbare Zellen läuft. Zum Einsatz kommen diese Reaktoren beispielsweise bei Untersuchungen zur Optimierung der Wasserelektrolyse. Es gilt herauszufinden, welche Elektrokatalysatoren und Membranen den Prozess effizienter gestalten. Aufgrund ihres modularen Aufbaus sind sie auch für andere Prozesse verwendbar. So erlaubt der derzeitige Zellaufbau die Abdeckung einer Vielzahl an Reaktorkonfigurationen – z. B. mit unterschiedlichen Elektrodenabständen – und verdeutlicht damit die breite Anwendbarkeit. Die zahlreichen Reaktorkonfigurationen ermöglichen eine Anpassung der Screening-Plattform an unterschiedliche Anwendungsbereiche. So kommen neben der Wasserelektrolyse auch andere Aufgabenstellungen in den Blick. So unter anderem die Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe oder die Zersetzung von Abfallströmen in der Abwasseraufbereitung.
Ersten Einschätzungen zufolge beschleunigen Paralleltests – ermöglicht durch die neuen elektrochemischen Durchflusszellen – potenziell das Katalysatorscreening im Vergleich zu klassischen Ansätzen bei Langzeitexperimenten bis um den Faktor vier. Im Laufe dieses Jahres soll die Integration der neuen Durchflusszellen in die Pilotanlage der hte GmbH erfolgen.
„Grundsätzlich können wir unsere elektrochemischen skalierbaren Mikroreaktoren für unterschiedliche Aufgabenstellungen spezifisch anpassen. Getrieben von der Suche nach grünen Syntheseverfahren und dem Bestreben der direkten Nutzung von nachhaltig generiertem (Überschuss-)Strom erlebt die Elektrochemie derzeit eine Renaissance“, resümiert Löb.