
Polyvinylchlorid (PVC) ist ein weit verbreiteter thermoplastischer Kunststoff, der durch Kettenpolymerisation aus Vinylchlorid entsteht. Nach Polyethylen und Polypropylen nimmt er Rang drei unter den meist produzierten Polymeren ein. Je nach Anteil an Weichmachern unterscheidet man ein hartes Material, das sich unter anderem für Fensterprofile, Rohrleitungen oder Schallplatten eignet, und ein elastisches, das bei Kabelisolierungen, Bodenbelägen oder Spanndecken Verwendung findet.
Entwicklungsgeschichte
Bereits 1835 beobachtete Henri Victor Regnault in Gießen zufällig, dass sich aus Vinylchlorid unter Lichteinfluss ein weißes Pulver bildete. Erst 1912 gelang Fritz Klatte in Frankfurt die gezielte Synthese des Monomers aus Ethin und Chlorwasserstoff, was den Weg zu technisch nutzbarem Polyvinylchlorid ebnete. In den folgenden Jahrzehnten etablierten sich großindustrielle Herstellungsverfahren: Ende der zwanziger Jahre in den Vereinigten Staaten, 1930 am Hochrhein und 1935 in Bitterfeld, wo erstmals weichmacherhaltiges PVC entstand. Die Verfügbarkeit billigen Chlors aus der Chloralkalielektrolyse begünstigte die rasche Ausweitung der Produktion. In den sechziger Jahren entwickelte man in den USA das stärker chlorierte PVC-C, das bei höheren Temperaturen beständiger ist.
Herstellung und Struktur
Monomer und Polymerisation

Ausgehend von Vinylchlorid entstehen Polymerkettenglieder mit der Summenformel C₂H₃Cl. Die Ketten sind überwiegend ataktisch; ein kleiner syndiotaktischer Anteil bildet halbkristalline Bereiche. Drei Verfahren dominieren: die Emulsionspolymerisation liefert E-PVC, bei der feine Tröpfchen des Monomers mithilfe wässriger Emulgatoren reagieren; die Suspensionspolymerisation erzeugt S-PVC und ist durch organische Peroxidstarter im verflüssigten Vinylchlorid gekennzeichnet; die Massepolymerisation führt in reinem Monomer zu M-PVC, das sich wegen seiner hohen Transparenz beispielsweise für Sterilisationsfolien eignet. Der meistverwendete PVC-Typ ist S-PVC (Suspensions-PVC).
Additive und Weichmacher
Unbehandeltes PVC ist hart und spröde. Stabilisatoren, Schlagzäh-Modifier und Weichmacher passen das Material an verschiedene Einsatzgebiete an. Metallseifen oder organische Zinnverbindungen fangen beim Erwärmen entstehenden Chlorwasserstoff ab und verhindern vorzeitige Zersetzung. Für Elastizität sorgen vor allem Phthalsäureester, neuerdings auch citrathaltige oder cyclohexandicarbonsäurebasierte Alternativen. Da PVC nur mit äußeren Weichmacher hergestellt werden kann und diese nicht chemisch gebunden sind, können sie im Lauf der Zeit in Umgebungsmaterialien oder die Luft gelangen, was eine allmähliche Versprödung begünstigt.
Hart- und Weich-PVC
Hart-PVC enthält keine Weichmacher und zeigt hohe Formstabilität, chemische Widerstandsfähigkeit sowie gute elektrische Isolation. Es lässt sich bei 120 bis 150 °C umformen und bei höheren Temperaturen spanabhebend bearbeiten. Weich-PVC enthält bis zu vierzig Prozent Weichmacher, besitzt eine ausgeprägte Reißdehnung und bleibt selbst bei niedrigen Temperaturen flexibel. Der thermische Verarbeitungsbereich liegt zwischen 160 und 200 °C; oberhalb beginnen Zersetzungsreaktionen, die Thermostabilisatoren erfordern.
Eigenschaften
PVC nimmt kaum Wasser auf, lässt sich beliebig einfärben und ist gegenüber vielen Laugen, verdünnten Säuren sowie aliphatischen Kohlenwasserstoffen beständig. Gegenüber starken Lösungsmitteln wie Aceton oder Tetrahydrofuran quillt oder löst es sich auf. Das Material brennt mit rußender Flamme, erlischt jedoch ohne Zündquelle rasch, da der hohe Chlorgehalt die Flammenausbreitung hemmt. Bei Bränden entstehen Chlorwasserstoff und, unter ungünstigen Bedingungen, Dioxine und Phosgen. Mechanisch reicht die Zugfestigkeit von fünfzig bis fünfundsiebzig Megapascal bei Hart-PVC, während Weich-PVC mit wenigen 10MPa deutlich niedriger liegt, dafür aber hohe Bruchdehnungen erreicht. Die Dauergebrauchstemperatur reicht von -50 bis 60 °C, chloriertes PVC übersteht kurzfristig sogar 100 Grad.
Anwendungen

Die Langlebigkeit des Werkstoffs prädestiniert ihn für Bauprodukte. Fensterrahmen, Fassadenplatten und drucklose Rohrsysteme widerstehen Witterungseinflüssen, Meerwasser und vielen Chemikalien ohne nennenswerte Alterung. Flexibles PVC findet sich in Kabelmänteln, medizinischen Schläuchen, Fußbodenbelägen oder Dachbahnen. Geschäumte Platten dienen als leichtgewichtiges Trägermaterial für Werbeschilder, während sehr weich eingestelltes Material als rutschhemmende Folie vermarktet wird. In der Pyrotechnik nutzt man PVC aufgrund seines Chlorgehaltes zur Intensivierung bestimmter Flammenfarben.
Umwelt und Gesundheit
Entsorgung und Recycling

Deponierung ist wegen des geringen biologischen Abbaus und möglicher Weichmacherfreisetzung unerwünscht. In modernen Abfallverbrennungsanlagen wird PVC energetisch verwertet; entstehender Chlorwasserstoff wird mit Kalk neutralisiert, Schwermetallrückstände werden abgeschieden. Werkstoffliches Recycling gelingt, wenn sortenreine Abfälle etwa von Fenstern, Kabeln oder Rohren vorliegen. Lösemittelverfahren wie Vinyloop können PVC aus Verbundwerkstoffen zurückgewinnen, spielen jedoch nur eine Nebenrolle.
Risiken bei Herstellung und Nutzung
Vinylchlorid, das Ausgangsmonomer, ist krebserzeugend und kann zu schweren Leberschäden führen, weshalb strenge Arbeitsplatzgrenzwerte gelten. Phthalsäureester und einzelne Organozinnstabilisatoren greifen in hormonelle Regelkreise ein und werden deshalb zunehmend ersetzt. Bei unkontrollierter Verbrennung entstehen korrosive und toxische Stoffe (gasförmiges HCL). Während Hart-PVC als relativ inert gilt, können flexible Produkte über Speichel, Hautkontakt oder Migration Weichmacher freisetzen, was bei Säuglingsspielzeug bereits zu Verboten geführt hat.
Der vorliegende Text stellt eine vollständig überarbeitete und neu strukturierte Fassung des Wikipedia-Artikels „Polyvinylchlorid“ dar. Er unterliegt der Lizenz CC BY-SA 3.0 und enthält keine inhaltlichen Ergänzungen über die Originalquelle hinaus. Stand: 29.07.2025